“Glauben heißt nicht wissen.” Stimmt das?
Wissen tun wir eigentlich überhaupt nichts. Ich kann nicht einmal den Solipsismus widerlegen, also die These, dass es außer mir nichts gebe und alles, was ich erlebe, von mir nur halluziniert sei. Wozu da noch zwischen Glauben und Wissen unterscheiden?
Nun, verschiedene Grade der Sicherheit gibt es durchaus. Am sichersten sind die Erkenntnisse in der Mathematik. Erst an zweiter Stelle folgen die Naturwissenschaften. Sie setzen auf das Prinzip der Wiederholbarkeit und kommen damit sehr weit. Dennoch können sie nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass ein Versuch, der tausendmal dasselbe Ergebnis brachte, beim tausendundersten Mal ein abweichendes Ergebnis bringt.
An die Geschichtswissenschaften denselben Maßstab anzulegen wie an die Physik, wäre absurd: Kein historisches Ereignis ist wiederholbar. In der Geschichte müssen wir mit den Zeitzeugen-Berichten arbeiten, die wir haben. Und die sind oft fragwürdig. Sollen wir also die Historie in die Tonne treten, weil sie den Standards der Naturwissenschaften nicht genügen kann? Dafür sind wir denn doch zu sehr an ihren Erkenntnissen interessiert.
Vollends ohne Beweise muss die Ethik auskommen. Aber wozu beweisen, was sich von selbst versteht: Dass es falsch ist, Menschen zu schaden, und richtig, ihnen zu helfen?
Wie also steht es mit dem religiösen Glauben: Müssen wir den aufgeben, weil er sich nicht auf dieselbe Weise begründen lässt wie die Naturwissenschaften? Oder gibt es Gründe, andere Maßstäbe gelten zu lassen, wie wir es bei den Geschichtswissenschaften tun?
Religionen berufen sich auf Offenbarungen. Doch woher sollen wir wissen, dass es sich bei den heiligen Texten wirklich um Offenbarungen handelt, um Eingebungen aus einer göttlichen Sphäre also? Und wie gehen wir damit um, dass die Offenbarungen verschiedener Religionen einander widersprechen?
Skeptiker fühlen sich an dieser Stelle bestätigt. Dagegen argumentieren Menschen, die in ihrer religiösen Tradition fest gegründet sind: Die Widersprüche zwischen den Religionen würden nur zeigen, dass allein ihre Religion richtig sei, alle anderen falsch.
Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit: Könnte es sein, dass die Religionen einander nur äußerlich widersprechen, nicht jedoch in ihrem tieferen Gehalt? Bekennen sie doch alle, dass unser Leben einen Sinn hat, den wir uns selbst nicht geben können; dass wir Menschen frei sind, uns für das Gute oder für das Böse zu entscheiden; dass der Tod nicht das Ende ist; und dass unsere Welt umfangen ist von einer transzendenten Dimension, die sich dem naturwissenschaftlichen Zugriff entzieht.
Falls diese Aussagen unabhängig von der einen oder anderen religiösen Offenbarung wahr sein sollten: Müssten sich dann nicht in unserem Leben Anhaltspunkte dafür finden lassen? Anhaltspunkte, die von allen Offenbarungstraditionen unabhängig sind?
Ich meine, dass es sich so verhält. Es sind nur Anhaltspunkte, keine Beweise. Aber ob mein Leben in einen größeren Sinnzusammenhang eingebettet ist oder nicht: Diese Frage ist mir zu wichtig, als dass ich an die Antwort einen grotesk unangemessenen Maßstab anlegen würde, nur um mich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen.
Ich beschäftige mich sogar sehr gern damit. Hier einige Texte, die ich zu religiösen und spirituellen Themen geschrieben habe.
- Blog zu spirituellen Themen
- Jesus: Gottessohn und Gesetzesbrecher
(Kapitel aus: „Von Homer zu Jesus“)
Die folgenden Artikel wurden in Christen heute veröffentlicht. Christen heute ist eine Zeitschrift der alt-katholischen Kirche, einer liberalen Kirche mit katholischer Liturgie.
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